Gedichte und Limericks

schreibfeder_sw

uhr

meine uhr hat mich verlassen
ihr herz blieb einfach stehn
kann auf dem stillen blassen
ziffernblatt kein leben sehn

teilt nun nicht mehr die stunden
mir zu mit ihrem takt
ich bin wie neu erfunden
von zeit entkleidet nackt

nicht werden noch verrinnen
kein war kein es wird sein
als stürzten selbst die zinnen
der zeit zu trümmern ein

doch gestern gebiert morgen
und einen lidschlag nur
sind sie im jetzt verborgen
das misst uns keine uhr

tiererlebnis

der amselhahn piept laut vom dach
des nachbarn mich zur unzeit wach
he – was hast du zu singen
die welt ist sündig und verroht
schlecht ungerecht und fast schon tot
ist dir das beizubringen?

doch amselmann streicht ab vom bau
zielt meinen scheitel an genau
und kackt drauf ganz beflissen
ruft zwitschernd dann nach seiner braut
die sich ihm in die arme haut
und ich steh da beschissen

vierzig

es macht die zeit
soviel ist klar
aus dem, was wird das,
was mal war
du kannst es nicht verhindern

mit dünnem haar
und faltenhaut
hat alte säcke
sie gebaut
aus einstmals wilden kindern

doch eh ich trost
und balsam mir
auf seele und auf
knochen schmier
in trauriger extase

schneid ich nen knopf
vom letzten frack
ein alter zwar, doch
froher sack
und dreh der zeit ‘ne nase

fünfzig

Das Leben wird beschwerlicher
mit jedem neuen Morgen.
Das Senium winkt vom Ende her
und strickt an deinen Sorgen.

Schon rieselt Rost aus dem Skelett,
das Hirn schmerzt unter’m Scheitel,
die Schwerkraft schmiedet dich in’s Bett,
das Mark zernagt der Zweifel.

Die Lust, längst auch ein altes Weib,
versucht mit welken Reizen
und eher aus Verlegenheit,
dich nochmal aufzuheizen.

Das war’s – raunt eine Stimme tief
in deines Schädels Leere.
Ein Seufzer wie ein Abschiedsbrief
und voller Erdenschwere.

Wenn du das glaubst und dich verkriechst
im Dunkel deiner Kammer,
dort antriebslos vor dich hinsiechst:
ersauf in deinem Jammer!

Ich aber nehm’ den alten Leib
und halt’ ihn in die Sonne!
Ergötze mich an Welt und Weib –
Unsterblichkeit – ich komme!

ich habe mich davon gemacht

ich habe mich davon gemacht
der vollmond sah mich schleichen
und hat im ohr noch meinen schwur
nie werd ich von dir weichen

ich war ich bin ich werde sein
der feigste kerl von allen
erst großes maul dann auf der flucht
warum ist mir entfallen

oster-miniatur

der bauch der bauch
ist vom gebrauch
der speißen gänzlich rund

geduld geduld
er ist nicht schuld
zur richtstatt führt den mund

zurück zurück
das possenstück
wie könnt ihr euch so irr’n

es schrei’n es schrei’n
die innerei’n
bestraft bestraft das hirn

demmler 07

beinah ein alter
längst noch nicht kalter
verse ausspeien
selbst sich kasteien
oden misstrauen
unmut zerkauen
einsamkeit suchen
und sie verfluchen
einlass erbitten
eintauchen mitten
in andrer leute
gestern und heute
zählend die wunden
narben und schrunden
bleichenden knochen
wahrheit versprochen
sucht im gewühle
wilder gefühle
seine zu zähmen
nicht sich zu schämen
der nackten herzen
die er verschmerzen
könnt ohne zweifel
reimt wie der teufel
um’s überleben
zwischen aufgeben
und siegen schwanken
kühnen gedanken
leben einhauchen
werden sie brauchen
wie eben deines
deines wie keines
vor dem verwesen
bleiben zu lesen
millionen zeilen
werden dich heilen

demmler 09

die wüste ohne brunnen
der himmel unbesternt
vulkane füchse rosen
kometenweit entfernt

die welt geschrumpft zur zelle
kein horizont in sicht
und blasser noch die tinte
in stahlgerahmtem licht

ein chor von schuld und sühne
riss von dir selbst dich fort
legt seinen schatten über
dein freies schönes wort

oh reimverwandter wortschmied
auf dich hätt ich geschwor’n –
in welcher finst’ren hölle
hast du dich nur verlor’n?

TYPEWRTR

Offizier

Es schwamm in den Fluten des Ganges
ein Offizier niederen Ranges.
Auf dass er sich schütze,
schlug er mit der Mütze
ein Krokodil tot und verschlang es.

Diktator

Es sprach ein Diktator in Teicha:
ihr alle seid gleich – ich bin gleicha!
Da schickten die Bürger
‘nen Auftragserwürger –
jetzt ist der Diktator ‘ne Leicha.

Wahlkampf

Es ging einst ein Bürger in Halle
einem Wahlkämpfer glatt in die Falle.
Der sprach: dich zu kriegen
musst’ ich nur dreist lügen.
Auf diese Weise krieg ich euch alle!